Ein Interview mit der Regisseurin und Propagandistin Gamma Bak
Wie bist Du dazu gekommen diesen Film zu machen?
Es ging mir schlecht nach den ersten Psychosen, ich wusste aber nicht genau, wie schlecht – salopp gesagt, ich dachte, ich werd nicht mehr. Ich wollte kämpfen mit meinen Mitteln und begann mit mir Interviews aufzuzeichnen. Ich war ziemlich sicher, dass daraus eines Tages ein Film werden kann. Aber es hat lange gedauert – insgesamt acht Jahre bis der Film fertig war.
Woher kommt der Titel „Schnupfen im Kopf“?
Mein Partner in der Zeit der ersten Psychosen sagte irgendwann zu mir: „Das ist alles wie ein Schnupfen im Kopf, das vergeht schon wieder.“ Auch wenn der Titel etwas sehr Bedrückendes und Beängstigendes vielleicht verniedlichend klingen lässt, zeigt er doch auch die Möglichkeit, damit normal umzugehen.
Wie kommt es zu der Auswahl Deiner Videobriefpartner?
Meine Familie ist schon daran gewöhnt, dass ich mir persönliche Themen suche, um über größere Zusammenhänge zu sprechen. Schon bei dem Film „East…West…Home’s Best“ (1992) über meinen Vater, bat ich meine Familie, im Bild und Interview aufzutreten. Jetzt sind noch einige Freunde dazugekommen. Es ist keine leichte Entscheidung, in einem Film mitzuwirken und offen zu sprechen, und ich bin meinen Gesprächspartnern sehr dankbar. Die Videobriefe und Gesprächssituationen geben der Geschichte Kontext und erweitern die Überlegungen zum Thema. In einer Videobriefsituation spricht man unweigerlich von sich selbst sowie an den Adressaten gerichtet. Das hat mich für dieses Projekt sehr interessiert.
Familienangehörige und Freunde verfassten für den Film Videobotschaften
Der Film ist Deiner Mutter gewidmet, weshalb taucht sie im Film nicht auf?
Meine Mutter ist großartig gewesen in den letzten 14 Jahren. Sie ist die geheime Heldin dieser Geschichte. Ihre erwachsene Tochter wurde mit 30 plötzlich so krank, dass es nicht abzusehen war, wie das Leben werden wird. Sie hat mich während der Krisen gepflegt und dafür gesorgt, dass ich so weit möglich unabhängig und selbstständig bleiben konnte in den Mühlen zwischen Krankenkassen, Arbeitslosengeld und so weiter. Und ich war ja auch nicht ständig krank. Viele Jahre vergingen eben nur in einer sehr reduzierten und gequälten Situation. Wenn ich meine Mutter frage, ob sie in diesem Film von mir sein würde, hat sie eine einfache Antwort: Ich lebe ein gelebtes Leben mit Dir, das möchte ich nicht zerstören. Das habe ich respektiert und sie nicht aus dramaturgischen Erwägungen heraus gedrängt vor die Kamera zu treten.
„Mir war klar, dass ich einen Film über die psychotische Erkrankung von innen nach außen mache.“
Gamma Bak
In dem Film gehst Du weit in Deine Archive zurück, wie kam es zu dieser Entdeckung?
Mir war klar, dass ich einen Film über die psychotische Erkrankung von innen nach außen mache. Ich hatte die vielen Selbstinterviews und Gespräche mit Freunden, die Videobriefe. Da wurde mir klar, daß es wichtig ist zu zeigen, wer die Person ist, die mit der Krankheit kämpft und versucht alles in Worte zu fassen. Seit ich mit 18 begonnen habe, Filme zu machen, bin ich in meinen Filmen. Zuerst als Darstellerin, aber seit 1991 arbeite ich mit autobiografischen Momenten und Erzählungen. So konnte ich aus meinem Archiv auswählen, was mich als Person näher darstellt. Das inszenierte Videotagebuch aus dem Fragment „Eine Frau und ihr Kontrabass“ ist dabei fantastisch. Es sind Aufnahmen, die zwei Jahre vor dem ersten Zusammenbruch entstanden sind. Ich spiele das Videotagebuch, aber ich verausgabe mich dabei so, dass man eine Gänsehaut bekommen kann – wie eine Vorahnung der Psychose?
Der Film ist zweisprachig deutsch-englisch mit ungarischen Teilen, warum?
Es ist eine besondere Entscheidung zu sagen, man macht einen Film über sich selbst. Die Arbeit ist immer schwierig, von Zweifeln begleitet, wie man sich so darstellen kann. In diesem Fall fand ich es am ehrlichsten, bei mir selbst anzufangen und das zu erzählen, was passiert ist, um über Psychosen zu sprechen. Es hat etwas Radikales, ganz streng bei sich zu bleiben. Ich spreche im Film Deutsch und Englisch, da ich zweisprachig bin, ich bin in beiden Sprachen zu Hause. Es ist meine Absicht, die beiden Facetten meiner Person, die in zwei Kulturen aufgewachsen ist, zu zeigen. Darüber hinaus sprechen alle Videobriefpartner die Sprache, die sie sprechen wollen. In den Gesprächen sprechen wir mal Deutsch mal Englisch, je nachdem mit wem ich mich unterhalte und was unsere Umgangssprache ist.
Was bedeuten die Passagen mit Bildern und Musik für Dich?
Ich hatte entschieden, dass ich das bildhafte Erleben der psychotischen Zustände nicht in Bilder umsetzen möchte. Da diese Erlebnisse mit der Wahrnehmung im Drogenrausch auf Haschisch oder Kokain zu vergleichen sind, fand ich einen Low-Budget-Versuch hier eher unpassend. Die Bildstrecken mit Musik habe ich mit Dieter Vervuurt konzipiert. Wir wollten reduzierte, klare, doch angereicherte Situationen schaffen – einerseits meine Vergangenheit zu erzählen und auch die inneren Gemütszustände auszudrücken. Es sind Fragmente, oder Splitter, die einen Blick erlauben. Die Gestaltung und die Effekte dieser Bildstrecken zur Musik sind von Szilvia Ruszev in der Montage entwickelt worden. Die Studioszenen haben wir zu verschieden Zeiten gedreht zum Teil in 2008 und den Rest in 2009.
Wir haben verschiedene Tracks von der CD „Propellers in Love“ von Arnold Dreyblatt für diese Szenen benutzt. Die Musik aus der Mitte der 1980er Jahre verbindet sich für mich sehr gut mit den experimentellen Bildern und sie erinnert an die Zeit, als ich aus Kanada nach Deutschland zurückgekehrt bin. Die Musik von Sean Scruff Newton für die Kanada-Sequenz ist ein Titel, den er für mich geschrieben hat, als wir in einer WG gewohnt haben, da war ich 17/18. Er handelt davon, dass es Nudeln bei uns gibt, ein kleiner Witz, denn ich habe tatsächlich jeden Tag Nudeln gekocht in der Zeit. Die Schlussmusik von dem Geiger Felix Lajko erinnert an die Zeit Anfang der 1990er Jahre, die ich im Videotagebuch beschreibe, als ich immer unterwegs war und ihn und seine Musik auf einem Festival in Ungarn kennenlernte.
Was hast Du als Nächstes vor?
Ich habe letztes Jahr einen autobiografischen Film aus meinen Textarchiven gemacht. Es ist eine experimentelle Videoarbeit, ein Fotofilm mit Liebes-Abschiedsbrief-Ausschnitten. Dieses Jahr beginne ich ein ähnliches Projekt, das nicht in die Archive blickt, sondern eine neues persönliches Archiv erstellt. Ab meinem Geburtstag am 5. März 2010 werde ich täglich eine Videopostkarte aus meinem Leben von einer Minute Länge auf YouTube veröffentlichen. Es ist ein Tagebuch-Postkarten Projekt, das ein Jahr laufen wird. Der Titel ist: Wish You Were Here.
Die Fragen stellte Michael Höfner